Besinnung von Reinhold Stecher
Am Ende bleibt die Waschschüssel
… Überlegen wir es uns gut - es ist Gott der Allmächtige, der hier schweigend mit der Waschschüssel hantiert! Die Allmacht neigt sich zu den schmutzigen Füßen, weil die Menschen die verbildeten Köpfe zu hoch tragen! …
Was er tut, ist wahrhaftig nichts Besonderes. Es gäbe - gemessen an unserer tüchtigen Art, Weltprobleme zu meistern - für einen Welterlöser zwanzig Stunden vor seinem gewaltsamen Tod sicher bedeutendere Dinge zu tun, als schmutzige Füße zu waschen. Was wäre nicht noch alles zu sagen und festzulegen und zu ordnen! Wie vieles wäre noch durchzuführen! Die Gutgesinnten von Jerusalem waren an jenem Abend zweifellos viel zu wenig geschult, organisiert und zu einer einheitlichen Aktion eingesetzt. Aber die kostbaren Minuten verrinnen - und der Sohn Gottes, dem dies alles zu bewerkstelligen sicher ein leichtes gewesen wäre, wäscht Füße - ohne Hast und Aufregung, sicher sorgfältiger, als es damals die Sklaven zu machen pflegten.
Und wir müssen versuchen, diesen Wegen der göttlichen Liebe nachzugehen und sie zu verstehen. Was wollte Er uns sagen? Vielleicht wollte Er sagen: Mein lieber Freund, wenn du den Eindruck hast, dass es in der Welt dunkel wird und die Nächte des Hasses, des Verrates und der Verlogenheit hereinbrechen, dann gilt nur mehr die schlichte Tat der Güte! Und dann muss die echte Liebe sparsam mit den Worten werden und vor allem - will Christus sagen -, vor allem darf der Liebe nicht leicht eine Sache zu klein und zu unbedeutend vorkommen! Und wenn du den Eindruck hast, dass die wohlmeinende Autorität nicht mehr ernst genommen wird, dann musst du darauf achten, dass sie nicht herrisch, pochend und befehlend, sondern vorbildlich tätig und dienend sein muss! Die Art und Weise, wie Christus Macht über Menschen ausübt, lässt uns einen Augenblick betroffen schweigen - und es kommt uns in den Sinn, wie anders wir das in unseren Lebensbereichen zu tun gewohnt sind. - Ich glaube, wir ahnen alle, dass dieser mit der Waschschüssel hantierende Gottessohn eindringlicher predigt, wie wenn Er damals vor zehn Mikrophonen einen Vortrag über Autorität gehalten hätte.
Verkürzt zitiert aus:
Reinhold Stecher, Liebe ohne Widerruf. Betrachtungen mit Aquarellen des Autors
80 Seiten, 15 farb. Abb., 11 x 18 cm, gebunden
Tyrolia-Verlag, Innsbruck Wien, 14., Auflage 2016
ISBN 978-3-7022-3282-5; € 12,95
Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-7022-3305-1, € 10,99