Ein ungemütlicher Tag
Gedanken zum Gründonnerstag
Der Gründonnerstag ist ein ungemütlicher Tag für Christen. Dienen sollen wir, heißt es. Dabei ist uns das Gegenteil viel lieber: Wir wollen oben sein und den Ton angeben. Doch die Gesten Jesu beim letzten Abendmahl sind wie Dynamit. Sie wollen - in jeder Karwoche neu - Haltungen sprengen, die das Leben der Menschen einengen, ärmer machen, töten. Souverän gering sein - das ist es, was zählt. Jedenfalls in den Augen Gottes.
Zwei Bilder der Liebe
Die Abendmesse am Gründonnerstag eröffnet das österliche Triduum, das Gedächtnis an Leiden, Tod und Auferstehung Jesu. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stehen zwei zentrale Elemente: Eucharistie und Fußwaschung - die beiden Antipoden der großen Liebe Jesu.
Brotbrechen
Am Gründonnerstag erinnern sich die Christen an das letzte Abendmahl. Die zwölf Apostel feiern mit Jesus das Paschafest. Dabei gibt Jesus dem jüdischen Ritus des Brotbrechens und Brotreichens eine neue Bedeutung. "Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird." (Lk 22,19) "Dankbar für das kostbare Vermächtnis der Eucharistie erinnert uns diese Feier besonders an die Liebe des Herrn, die den Tod überdauert." (zit. n. "Magnificat. Das Stundenbuch. Die Heilige Woche 2018")
Fußwaschung
Der Evangelist Johannes schildert mit großer Eindringlichkeit eine Szene, die bei Matthäus, Markus und Lukas nicht vorkommt: Die Fußwaschung. Er berichtet wie Jesu seinen Jüngern die Füße wäscht und ihnen die damit verbundene Botschaft eindrücklich macht: "Begreift ihr, was ich an euch getan habe? ... Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. (Joh 13, 12-15). Im Andenken an dieses Geschehen kann beim Gottesdienst am Gründonnerstag auch eine Fußwaschung vorgenommen werden.
Grün wie frisch
Viele Deutungsmuster gibt es über die Herkunft des Wortes "grün". Manche Erklärungen führen das mittelhochdeutsche Wort "gronan - weinen" als Ursprung an.
» Die Bezeichnung Gründonnerstag ist wahrscheinlich volkstümlichen Ursprungs und leitet sich wohl von der seit dem 14. Jahrhundert verbreiteten Sitte ab, an diesem Tag grüne Heilkräuter und grünes Gemüse zu essen. Möglicherweise hängt dieser Brauch mit der Symbolik des wiederkehrenden Frühlings zusammen, wie sie in den Hymnen der Fastenzeit mehrfach vorkommt. Denkbar ist auch eine Verbindung zum kirchlichen Sprachgebrauch des ausgehenden Mittelalters, der "grün" in der Bedeutung "frisch", d. h. "erneuert, sündlos" kannte. Damit wäre ein deutlicher Bezug zur Bußpraxis der römischen Kirche gegeben, nach der die Bußzeit für öffentliche Büßer mit dem Gründonnerstag endete und sie wieder in die volle Gemeinschaft der Kirche aufgenommen wurden. «
(zit. n. "Magnificat. Das Stundenbuch. Die Heilige Woche 2018")
Besinnung von Reinhold Stecher
Am Ende bleibt die Waschschüssel
… Überlegen wir es uns gut - es ist Gott der Allmächtige, der hier schweigend mit der Waschschüssel hantiert! Die Allmacht neigt sich zu den schmutzigen Füßen, weil die Menschen die verbildeten Köpfe zu hoch tragen! …
Was er tut, ist wahrhaftig nichts Besonderes. Es gäbe - gemessen an unserer tüchtigen Art, Weltprobleme zu meistern - für einen Welterlöser zwanzig Stunden vor seinem gewaltsamen Tod sicher bedeutendere Dinge zu tun, als schmutzige Füße zu waschen. Was wäre nicht noch alles zu sagen und festzulegen und zu ordnen! Wie vieles wäre noch durchzuführen! Die Gutgesinnten von Jerusalem waren an jenem Abend zweifellos viel zu wenig geschult, organisiert und zu einer einheitlichen Aktion eingesetzt. Aber die kostbaren Minuten verrinnen - und der Sohn Gottes, dem dies alles zu bewerkstelligen sicher ein leichtes gewesen wäre, wäscht Füße - ohne Hast und Aufregung, sicher sorgfältiger, als es damals die Sklaven zu machen pflegten.
Und wir müssen versuchen, diesen Wegen der göttlichen Liebe nachzugehen und sie zu verstehen. Was wollte Er uns sagen? Vielleicht wollte Er sagen: Mein lieber Freund, wenn du den Eindruck hast, dass es in der Welt dunkel wird und die Nächte des Hasses, des Verrates und der Verlogenheit hereinbrechen, dann gilt nur mehr die schlichte Tat der Güte! Und dann muss die echte Liebe sparsam mit den Worten werden und vor allem - will Christus sagen -, vor allem darf der Liebe nicht leicht eine Sache zu klein und zu unbedeutend vorkommen! Und wenn du den Eindruck hast, dass die wohlmeinende Autorität nicht mehr ernst genommen wird, dann musst du darauf achten, dass sie nicht herrisch, pochend und befehlend, sondern vorbildlich tätig und dienend sein muss! Die Art und Weise, wie Christus Macht über Menschen ausübt, lässt uns einen Augenblick betroffen schweigen - und es kommt uns in den Sinn, wie anders wir das in unseren Lebensbereichen zu tun gewohnt sind. - Ich glaube, wir ahnen alle, dass dieser mit der Waschschüssel hantierende Gottessohn eindringlicher predigt, wie wenn Er damals vor zehn Mikrophonen einen Vortrag über Autorität gehalten hätte.
Verkürzt zitiert aus:
Reinhold Stecher, Liebe ohne Widerruf. Betrachtungen mit Aquarellen des Autors
80 Seiten, 15 farb. Abb., 11 x 18 cm, gebunden
Tyrolia-Verlag, Innsbruck Wien, 14., Auflage 2016
ISBN 978-3-7022-3282-5; € 12,95
Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-7022-3305-1, € 10,99
Besinnung von Jochen Teuffel
Menschliche Erwartungen zählen nicht
Jesus kennt seine Herkunft und seine Zukunft - er kommt von seinem himmlischen Vater und kehrt zurück zu ihm. Sein todgeweihtes Leben ist bestimmt von dieser Gemeinschaft. So hat er auf Erden nichts zu verlieren. Das gibt ihm die Selbstgewissheit, auf revolutionäre Weise an seinen Jüngern zu handeln. Was andere von ihm denken, muss für ihn keine Rolle spielen. Seine Handlungsweise entspricht dem Willen seines himmlischen Vaters und muss damit eben nicht den Erwartungen der Menschen entsprechen. Im menschenunwürdigen Sklavendienst an seinen Jüngern zeigt sich seine ganze göttliche Souveränität.
"Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe." (v 15) Diese Worte laden uns ein, es ihm nachzutun - als Revolutionäre in Sachen Liebe aus dem Rahmen zu treten und etwas völlig Befremdliches zu tun. Dazu müssen wir jedoch wissen, wer wir wirklich sind, nämlich Christi Zugehörige, die berufen sind, es ihm gleich zu tun. Da spielt es dann keine Rolle, was andere von uns denken, solange wir Christus Glauben schenken. Ja, Christen können wirklich seltsame Dinge in dieser Welt tun, müssen sie sich doch nicht deren Regeln und Gepflogenheiten unterwerfen. Es gilt jedoch ein Kriterium: Die seltsame Handlung hat Jesus nachzuahmen, was nichts anderes besagt, als dass die göttliche Liebe handgreiflich werden muss. … In einem weiteren Sinne fordert uns Jesus heraus, aus eingenommenen Positionen auszusteigen, ohne damit von der Rolle zu fallen. Wir dürfen befremdlich handeln, wenn dies anderen Menschen in unerwarteter Weise gut tut. Wer es Jesus nachmacht, kann sein eigenes Gesicht in den Augen des Gottes nicht verlieren.
Jochen Teuffel
(Auszug aus seinem Blogeintrag "Handgreifliche Liebe - eine Predigt zu Gründonnerstag" vom 20.4.2011: https://jochenteuffel.wordpress.com/tag/fuswaschung, abgerufen: 21.03.2018)